Auf der Jagd nach seltener Pflanze in Madagaskar

Der Madagaskarforscher Henri Humbert (1887 – 1967) bemerkte in seiner Arbeit «Pédaliacées C», dass er eine Uncarina aus dem Androna-Gebiet wegen der Unvollständigkeit des Herbarmateriales nicht richtig einordnen konnte. Für uns war das ein Ansporn, diese Pflanze im wenig bekannten, rund 12 000 Quadratkilometer grossen Gebiet zu suchen. 

Im Städtchen Mandritsara gibt es ein kleines einfaches Hotel, in welches wir im November 1995 einzogen. Auf der Marktstrasse mischten wir uns unter die zahlreichen Menschen und suchten möglichst viele Gespräche, um unser Anliegen mitzuteilen. Madagassen sind sehr redselig, und so machte der Grund für die Anwesenheit von zwei «Vazahas» (so werden Europäer, meist Franzosen von den Einheimischen genannt) schnell die Runde.

Am Abend meldete sich ein junger Mann im Hotel, er wolle uns sprechen. Überzeugt erklärte er uns, er wisse, wo man diese Pflanze mit den auffälligen Früchten voller Hakenstacheln finden könne, allerdings sei es ziemlich weit weg von Mandritsara.

Vor dem Aufstieg auf den Berg

Am 20. November frühmorgens, es war noch dunkel, brachen wir zusammen mit unserem Begleiter auf. Wir fuhren durch eine Märchenlandschaft, ein Dorf nach dem andern, die Häuser aus rotem Lehm gebaut und mit Stroh überdacht, mit Arbeiten beschäftigte Frauen, viele Kinder, träge herumliegende Hunde, Schweine und aufgescheucht herumrennende Hühner belebten die kleinen, sauber gepflegten Siedlungen, die sich zwischen den 50 bis 100 Meter aufragenden Felsformationen unter tiefblauem Himmel eingebettet lagen.

Gegen Mittag liess uns unser Begleiter ostwärts abbiegen, und auf einem Fussweg fuhren wir durch ein schmales Tal, gesäumt von beeindruckenden Gneisbergen. Bei einer kleinen Häusergruppe stiegen wir aus. Wir befanden uns auf einer Höhe von 350 Metern, exakt das Niveau, auf dem in Diego-Suarez die höchst gelegene Population von Uncarina peltata wächst. Alle anderen Arten dieser Gattung findet man in tieferen Lagen. Drei kleine junge Männer, für Madagassen mit ungewöhnlich kräftiger Statur, waren bereit, uns zu den gesuchten Pflanzen zu führen. Wir fragten, ob es weit sei. Eine verneinende Kopfbewegung und ein kurzes Arm heben in Richtung eines nahe gelegenen Wäldchens war die Antwort. Wir überlegten: «Super, wir brauchen nur die Fotoausrüstung!»

Die Überraschung strahlt mit gelben Blüten

Das Wäldchen lag ein gutes Stück hinter uns, als wir auf einen schmalen Fusspfad trafen, der sehr steil den Berg hinaufführte. Das felsige abschüssige Gelände, spärlich bewachsen mit trockenem Gras und zahlreichen Pflanzen von Pachypodium baronii, die wie hingestellte Skulpturen aus dem Berghang ragten, flimmerte in der Nachmittagshitze.

Auf der Suche nach den Früchten

Eine gefühlte Ewigkeit kämpften wir uns bergwärts, völlig durchgeschwitzt und an der Grenze unserer Kräfte, mussten wir immer öfter eine Pause einlegen. Auch unsere vier Begleiter schwitzten, die Anstrengung aber meisterten sie problemlos. Wir zweifelten sehr, da auf dieser Höhe keine Uncarina Populationen bekannt waren.Völlig erschöpft und dehydriert schafften wir es auf den Berg, der Höhenmesser zeigte 950 Meter an. Wir durchquerten einen laublosen Buschwald, bis einer unserer Begleiter in eine Richtung zeigte. Unglaublich, ein leuchtend gelbes Band durchbrach die grau-braune Vegetation. Wir eilten zu diesem Platz, bewachsen mit unzähligen blühenden Uncarinas von einer Art, die wir zuvor noch nie gesehen hatten.

Uncarina ihlnefeldtiana mit Fruechten
Uncarina ihlenfeldtiana an einem weiterem Standort

Unsere Erschöpfung hatte ein gefährliches Mass erreicht. Unsere Begleiter knieten etwas abseits am Boden und tranken tüchtig aus einem Wasserloch. Uns wurde bewusst: «Wir müssen auch trinken, sonst schaffen wir es nicht zurück.» Das von alten Blättern gefärbte und mit tausenden Wassertierchen belebte Wasser tat uns gut. Schnell war unser Jagdfieber wieder geweckt. 

Zurück beim Auto war in der Gruppe die Zufriedenheit spürbar. Den zwei Vazahas geholfen zu haben, machte die Begleiter stolz. Wir genossen das unbeschreibliche Gefühl erfolgreicher Jäger. Ein glücklicher Tag für alle. Die Rückfahrt ging durch die Nacht, bis wir um zwei Uhr früh im schlafenden Mandritsara ankamen.

Im November 1996 fanden wir weitere Vorkommen dieser Berg-Uncarina, worauf unser geschätzter Freund John J. Lavranos das Material bearbeitete. Zu Ehren des bekannten Pedaliaceen-Spezialisten Prof. Dr. H.-D. Ihlenfeldt gab er der neuen Art den wissenschaftlichen Namen Uncarina ihlenfeldtiana.

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